Folge VII: Uhren und Spiegel
Sogenannte “Spiegeluhr” aus Nürnberg, ca. 1565-1570. Sie ging erheblich nach und war nicht mobil, d.h. sie schonte uns.
Wir sprechen über zwei verhängnisvolle Erfindungen. Darüber, wie sich unser Zeitempfinden vom zyklischen der Tages- und Jahreszeiten hin zu einem linearen, immer fortlaufenden wandelte (wodurch eine so bescheuerte Idee wie Fortschritt vielleicht erst möglich wurde). Darüber, wie die Spiegelung auf natürlichen Oberflächen eine schonende Unschärfe über unsere Gesichter legte, die wir zur Erhaltung unseres Selbstwertgefühls heute im digitalen “Filter”, der über das Spiegelselfie gelegt wird, wiederkehren lassen. Also zurück zur Urzeit und weg von der Uhrzeit? Spiegelung in den Augen des Gegenübers statt in kalten Fassaden?
Außerdem. David Hume sagte: “We never really advance a step beyond our self.” Gegen wen richtet sich das? Wer hat denn da das Gegenteil behauptet? Das müssen wir leider offen lassen.
Folge 18: YOLO
Einmal ist keinmal?
Die Spaßgesellschaft lässt sich nur in Tautologien beschreiben.
Es geht um einen verzweifelten Ausruf, um eine Anrufung des Kurzweiligkeitsgötzen der Tatsächlichkeit, um ein missverstandenes Jugendwort? Von Hegel her erklären wir die Genese von YOLO, sprechen über den 1. und 2. Tod Gottes, und landen am Ende doch in einer eudämonologischen Antinomie von Schopenhauer. Die Lust lässt sich jedenfalls nicht austreiben, aber sie lässt sich zerstören. Das wiederum ist nicht erstrebenswert. Hedonismus sollte als Gesundheitspflege verstanden werden. Doch leben wir leider in einer vereindeutigten Welt.
Fast fragen wir verzweifelt: Kann uns nur ein neuer Gott retten?
Folge VI: Daniel D. Liver: Einführung in die Wohntheorie
Ein sogenanntes “Wohnzimmer”. Dieser Raum hat üblicherweise keine Funktion. Er will bloß bewohnt werden.
Unser Gast Daniel D. Liver weiß, dass Wohnen gelernt sein will und Gefahren birgt.
Einst im Weltaal in unendlichen Weiten vom Kronleuchter hängend, plötzlich herabgekommen, Selleriewälder durchschreitend und zu guter letzt im Eierschalensessel für unser Interview niedergelassen: Unser dritter Gast Daniel D. Liver, Professor für Raumtheorie und Wohnpsychologe. Wir sprechen über die Raumtheorie von Anfang bis Ende, von Hesiod bis zur topoglogischen Wende, und darüber hinaus bis in den Wohnmarxismus! Die Atomisten stellen sich dabei der Frage nach artgerechtem Wohnen auch im 20. Jahrhundert noch in den Weg. Mit Husserl und dank der phänomenologischen Methode gelangen wir am Ende gar bis nach China. Unverhofftes Glück: Prof. Daniel D. Liver würdigt unsere Woziologische Arbeit. Immer wieder tauchen schließlich im geisteswissenschaftlichen Betrieb neue Schulen auf, die neue Kehren, Wenden, “turns” und “pre-turns” produzieren - wir bringen endlich Licht ins Dunkel!
Von der Raumtheorie in den Wohnraum und auf die Couch des Wohnpsychologen - hört rein und begleitet uns ins Neue Jahr!
Folge 17: Die Schule der Ironiker
Friedrich Schlegel, Ironiker ersten Ranges.
Von Sokrates bis Umberto Eco.
Vom interessantistischen Lebensbezug schreiten wir zum ironischen. Der Ästhetiker will noch immer nicht er selbst sein. Das Instrument der Wahl dazu liefert ihm die Romantik: Eine zur philosophischen Grundhaltung weiterentwickelte Ironie. Wir schreiten von der sokratischen Ironie über die romantische bis zur postmodernen Ironie, um am Ende sogar hinter Sokrates zurückzuschauen. Wir sind der Ironie gegenüber skeptisch, wissen aber, dass der Ironiker einen Schritt weiter ist, als der Skeptiker. Also dran denken: Wer “Ja” sagt, muss auch “Nein” sagen. Viel Freude und frohe Festtage!
Hier gibt es noch ein paar Notizen zur Ironie.
Notizen zur Ironie
Ironie beginnt subjektiv wohl aus dem Gefühl heraus, nicht ernst genommen zu werden. Dabei bietet sie den friedlichen Ausweg aus diesem unliebsamen Gefühl, bleibt jedoch in Nachbarschaft mit dem destruktiveren Alternativpfad, dem Cynismus. (Die beiden Nachbarn pflegen ein gutes Verhältnis und besuchen sich hin und wieder, halten auch allmorgentlich ein Pläuschchen am Gatter.)
Später wird dies so wahrgenommen: Die ironische Weltbetrachtung nimmt zur Voraussetzung, dass man sich selbst nicht ernst nimmt, d.h. baut damit auf die entweder missgünstige oder wohlwollende, jedenfalls berechnete Rezeption durch andere. Wird man plötzlich von jemandem ernst genommen, ist man als Ironischer ganz verdattert, und überholt sich dabei, etwa die eigenen geäußerten Probleme als “halb so wild” zu verharmlosen, oder die geäußerte Kritik als “nicht so gemeint, im Scherz gesagt” zu relativieren. All das, um weiter ungestört nicht ernst genommen zu werden, um sich selbst nicht ernst nehmen zu müssen.
Dabei bietet die Ironie auch die wunderbare Möglichkeit, etwas Ernstgemeintes zu äußern, was man sonst verschwiegen hätte, gleichsam unter Vorbehalt.
Romantische Ironie ist deswegen so konsequent, weil Ironie ein Lieben und Geliebtwerden ebenso verunmöglicht wie die Romantik überhaupt die gelebte Liebe verunmöglichen will (sie ersetzt sie durch Annhimmelung, Sehnsucht, Zehren, Aufopferung, Konkurrenzkampf etc. macht sie unerreichbar, unlebbar, verfrachtet sie in ein emotionales Jenseits).
von JFMS
Folge 16: Vom Interessantismus
Wahrscheinlich selbst interessiert, gefangen zwischen Entweder - Oder: Søren Kierkegaard.
Mit Mithäftling Ästhetiker gefangen im ewigen Dazwischen.
Im ewigen Dazwischen gefangen suchen wir als hoffentlich erotische Boten Auswege aus einer daimonischen Sackgasse des Zeitgeistes. Wenn alles interessant ist, alles akademisch “spannend” - was zählt dann noch? Und von wo aus lässt sich das alles als interessant beobachten? Wir sind eigentlich die Zuschauer unseres eigenen Schiffbruchs - doch dazu ein andermal. Ein andermal, ein andermal. Wir vertagen und bleiben eben: interessiert. Doch wir sollten uns nicht nur an der Möglichkeit unserer Gefühle berauschen. Schließlich scheint der Kipppunkt mit drei P schon erreicht zu sein; alles ist interessant, das heißt eigentlich, es herrscht die absolut gewordene Indifferenz.